Krise in Agbogbloshie

Wanyama - Die Wächter der Meere
~ Probekapitel ~
Kapitel 1: Gift und Stiche
 
Accra, Ghana
 
Der Tod lag in der Luft. Giftige Schwaden stiegen aus Feuern auf, in denen Elektroschrott brannte. Immer wieder knallten Batterien, als die Säure in ihrem Innern verdampfte. Plastik und Isolierung schmolzen, um ihre Dünste in die Lungen der Anwohner zu jagen. Die Lebenskraft in Agbogbloshie war krank, wie ein unsichtbarer Smog, der die Menschen in einen Schleier aus Mutlosigkeit hüllte.
Den Männern, Frauen und Kindern, die in Bergen aus alten Fernsehern, Radios und Elektrowerkzeugen wühlten, war die Gleichgültigkeit anzusehen. Illegal importierter Schrott, den sie für Ersatzteile ausschlachteten, war ihr einziges Einkommen. Ihre Lungen waren kaputt. Die Menschen von Agbogbloshie hatten vergessen, wie sich Gesundheit anfühlte.
Kio hustete. Der Rauch brannte ihm im Rachen. Seine Augen tränten. Sein Wanyama, der Pavian, quiekte gequält im Hinterkopf.
Kio hatte Mühe, seinen Beobachtungsposten in dem Berg alter Radios zu halten. Das Fell seines Affenschwanzes stank nach ausgelaufener Batteriesäure und juckte. Ständig fielen ihm die Augen zu.
»Schlaf mir nicht bei der Arbeit!«, tönte es in seinem Ohrknopf.
Wie hatte Makeye das bloß bemerkt? Beleidigungen murmelnd hob Kio das Fernglas und beobachtete den belebten Fahrtweg. Karren, Motorroller und Lastwagen bahnten sich ihren Weg durch Menschenmassen, die im Schrott nach Verwertbarem wühlten. Am Straßenrand zerlegten Kinder und Alte jedes Fundstück und verluden die Einzelteile auf Karren.
»Wen suchen wir eigentlich?«, fragte Kio in sein Funkgerät.
»Zum dritten Mal: Wir suchen Adam und Berry Didier«, erklärte Makeye genervt. »Es sind Zwillinge und potentielle Wanyama-Tume. Sie sind Waisen und arbeiten für einen zwielichtigen Schrotthändler namens Akim Rennes. Ajabus Kontakte haben erfahren, dass er die Zwillinge an die Claws verkaufen will.«
»Widerlich«, murmelte Kio. »Wie sehen die beiden aus?«
Da entdeckte er einen glatzköpfigen Jungen und ein Mädchen mit kurzgeschorenen Haaren, beide etwa zehn Jahre alt, die nebeneinander die Straße überquerten. Sie hielten eine ölverschmierte Tasche zwischen sich, jeder einen Henkel.
Kios Wanyama quiekte. Sie besaßen eine Aura. Selbst die Atmosphäre von Agbogbloshie konnte die spirituelle Kraft nicht verschleiern. Kio zoomte näher heran.
»Vergiss es«, meldete Kio. »Ich glaube, ich hab sie.« Er folgte ihnen mit dem Fernglas. »Ich könnte mir die beiden schnappen und verschwinden, bevor jemand was bemerkt.«
»Das wäre keine gute Idee. Offenbar sind sie sehr schreckhaft.«
»Na toll. Von welchen Wanyamas reden wir …?«
»Augen auf!«, mischte sich Trivi in das Gespräch ein. »Da sind Claws im Distrikt! Ihre Auren versetzen die Leute bereits in Unruhe. Herrje, da schreit das erste Kind! Jetzt ist jemand zusammengebrochen …«
Kio ahnte schon, wie das enden würde.
»Sorgt dafür, dass es nicht ausartet.« Makeye fluchte. »Die Claws wollen uns ablenken.«
Da entdeckte Kio einen Geländewagen, der sich aus der Schlange löste und in der Nähe der Zwillinge parkte. Zwei Uniformierte mit Sturmgewehren sprangen heraus, doch Kio sorgte sich mehr um ihre beiden Begleiter.
Der eine wirkte in seinen Sandalen, Shorts und dem Hawaiihemd wie ein Student, auf Abenteuerreise durch Afrika. Unter seinem wasserstoffblondem Haar zeichnete sich eine knochige Stirn ab.
»Das ist doch Kharnan«, gab Kio über Funk durch. »Rajas Flirtpartner führt den Trupp wohl an.«
»Ich habe nicht mit ihm geflirtet!«, plärrte ihm Raja entgegen. Ihr Englisch war mittlerweile fast fehlerfrei.
Kio mahlte bei Kharnans Begleiter nervös mit den Zähnen. Der Hüne im Khakihemd hatte den Kopf praktisch zwischen den Schultern sitzen. Seine Arme besaßen mehr Masse als Kios Oberkörper. Besonders verstörend war sein Unterkiefer aus kantigen Metallschienen, der leicht überstand und ein stählernes Gebiss offenbarte. Sein struppiges Haar stand in alle Richtungen ab.
Der darf ja auf keiner Claw-Massenpanik-Party fehlen …
»Verdammt, er hat die Hyänenfresse dabei!«, meldete Kio. »Und die hat eine ganz neue … Fresse! Aus Metall! Der Typ ist ein lebendes Sägewerk!«
Mit schwerem Magen erinnerte sich der Tume daran, mit welcher Leichtigkeit sich Thartar durch das Gebälk von Kimibilio gebissen hatte. Jetzt hatte seine Schnauze sicher noch mehr PS.
»Ich bin auf dem Weg zu dir«, antwortete Makeye. »Bleib auf deinem Posten. Gegen die beiden Schwergewichte hast du keine Chance.«
Kharnan, Thartar und die Claws bewegten sich auf Adam und Berry Didier zu. Kio wurde zappelig. Von Makeye war weit und breit nichts zu sehen.
Die Claws kamen den ahnungslosen Zwillingen immer näher, kreisten sie wie ein Rudel Wölfe ein.
Makeye würde es nicht rechtzeitig schaffen. Er hob Züge aus den Gleisen, aber er selbst war definitiv keiner.
Kharnan gab seinen Fußsoldaten Handzeichen. Sie waren mit langen Elektroschockern ausgerüstet, als wollten sie einen entlaufenen Löwen einfangen.
Die Zwillinge bemerkten, dass ihnen jemand im Nacken saß. Sie liefen schneller, rempelten Leute an, die sie wüst wegstießen.
»Wo steckst du, Makeye?«, zischte Kio nervös. »Die rücken den Kindern auf den Pelz!«
Die Antwort bestand aus Schlag- und Knallgeräuschen.
»Makeye? Hörst du mich?«
»Die haben einen Hinterhalt gelegt!«, fluchte der Tume-Veteran. »Damit werde ich fertig, aber es kostet Zeit!«
»Ich kann auch nicht eingreifen«, meldete Raja. »Meine Mischgestalt ist leergepumpt. Ich muss mich ausruhen …«
Die Claws mit Elektroschockern stürmten auf die Zwillinge zu. Von der anderen Seite kamen sie mit einem Fangnetz an.
Der Pavian entfesselte instinktiv seine Kraft. Kio stieß sich ab. Dutzende alte Radios spritzten davon. Der Pavian ließ ihn hundert Meter aus dem Stand zurücklegen. Kio drehte eine Schraube, streckte das Bein aus und erwischte die Griffstange des Elektroschockers. Die Spitze traf den zweiten Claw, der zuckend umfiel. Sein Kamerad schaffte nur noch eine blöde Miene hinter der Sturmhaube, bevor er zu Boden ging.
»Tume!«, schrien die herannahenden Claws. »Feinde!«
»Iieek! Iieek!«, kreischte Kio kampflustig, ließ seinem Wanyama freie Bahn. »Bleibt von den Kindern fern! Ich warne euch! Ich beiße!«
Seine Feinde beeindruckte er damit nicht. Thartar knurrte metallisch und pflügte durch die Leute auf Kio zu.
Kio machte auf dem Absatz kehrt, hechtete auf die Zwillinge zu und packte den Jungen am Arm.
»Kommt mit, wenn ihr …!«
Bzzzt!
Wie ein Lanzenstich explodierte der Schmerz in Kios Arm und jagte ihm die Schultern hinauf. Er stolperte über seine eigenen Füße, als sich die Schockwelle durch seinen Körper brannte. Am Boden tastete der Tume nach seinem Arm. Er war völlig taub und am Unterarm geschwollen, als wäre er in ein Wespennest gefallen. Er schnappte nach Luft. Seine Kehle schwoll an. Kios Wanyama kämpfte das Gift nur mühsam nieder. Berry richtete drohend ihren Zeigefinger auf den Tume. Die Spiegelung in ihren Augen war zu Facetten zersplittert.
»Lass Adam in Ruhe!«, wimmerte sie panisch.
Du Spatzenhirn! Er hätte am liebsten laut geschimpft, doch seine Lippen machten schlapp.
Ihr Bruder sah Kio entschuldigend an. Dann rannten beide los. Weit kamen sie nicht. Gleich zwei Netze wurden Ihnen über die Köpfe geworfen.
»Hört auf!«, keuchte Kio. »Das sind Kinder! Lasst sie in Ruhe!« Er bemerkte, dass seinen Lippen noch nicht über die Mh-mh-mh-Phase hinaus waren.
Sein Gebrabbel fand ein jähes Ende, als ihm jemand mit Vollspan in die Flanke trat. Der Tume flog gegen die Tür eines Kleinlasters und hinterließ einen bleibenden Eindruck in Blech. In letzter Sekunde duckte sich Kio unter Thartars Faust hindurch, die dem Kleinlaster eine weitere Delle verpasste und ihn ins Schaukeln brachte. Der Claw setzte zwei weitere Sprünge nach, denen Kio immer nur knapp entging.
In den letzten Monaten hatte der Teenager aus Moshi1 einige Kampfmanöver erlernt und von den Reflexen seines Wanyamas profitiert. Leider hatte er das Training nie halbseitig betäubt absolviert. Eigentlich hatte Kio längst bewiesen, dass er viel schneller war als der grobschlächtige Thartar. Doch Berrys unbedachtes Eingreifen hatte die Karten neu gemischt.
Kio stolperte beim Versuch, ein Rad zu schlagen, über seine eigenen Kampfreflexe. Er purzelte durch den Staub, sodass ihn Thartar einfach nur noch aufsammeln musste. Die Faust des Claw schloss sich wie ein Schraubstock um seine Fußgelenke und hob ihn hoch.
»Hilfe!«, schrie Berry.
Sie versuchte, ihre Betäubungsblitz-Nummer zu wiederholen, aber die Claw-Söldner waren von einem unsichtbarem Schild umgeben, das die Entladungen abfing. Kio kroch kalte Ihicha2 über die Haut.
Mit einer Science-Fiction-Prothese wie dieser hatte Kio aber nicht gerechnet. Entweder dachten die Claws an Vorsorge oder Thartar hatte sich an Etwas wortwörtlich die Zähne ausgebissen. Die feinen, metallischen Gelenke seines künstlichen Unterkiefers machten sein hämisches Grinsen nur noch gruseliger. Erst recht, wenn man es kopfüber betrachtete.
»Hallo Thartar«, brummte Kio. »Was ist denn mit deiner fröhlichen Fresse passiert?«
Der Hyänen-Tume knurrte: »Rotkaninchen3 …«
Kio verzog das Gesicht. An Thartars Mundkloake änderte der aufmontierte Schredder jedenfalls nichts.
»Thartar!«, rief Kharnan. »Bring endlich den Müll weg.« Er wedelte die Dämpfe aus der Nase und griff zum Funkgerät. »Vulture 3, kommen! Das Paket ist bereit zur Abholung.«
Kurz darauf näherte sich ein Hubschrauber, eine zerkratzte, ausrangierte Militärmaschine.
Kio fluchte. Na großartig! Ich dachte, die Luftunterstützung kommt immer gegen die Terroristen!
»Bringt sie zum Treffpunkt«, befahl Kharnan seinen Söldnern. »Die Verletzten lasst liegen. Schwäche wird bei den Claws nicht geduldet.«
Kio zappelte hilflos in Thartars Griff.
»Ich könnte dich essen«, amüsierte sich dieser. »Aber davon kriege ich bestimmt Würmer.«
»Ihr braucht mein Wanyama wieder nicht?«, murmelte Kio so deutlich er konnte. »Jetzt bin ich echt beleidigt.«
Grinsend trug Thartar seinen Fang zur nächstbesten Grube, in der Plastik und Sperrholz verbrannten. Aus nächster Nähe kam es Kio so vor, als stünde seine Nase in Flammen, während seine Tränendrüsen die Schleusen zum Löschen öffnete. Thartar hielt ihn in die Rauchschwade, nur wenige Meter über das giftige Feuer.
»Soll ich dich räuchern?«, lachte Thartar. »Oder auf offener Flamme grillen? Hatte schon lange keinen gegrillten Affen mehr.«
Kio schwieg, um nicht unnötig Abgase einzuatmen. Er richtete seinen Blick nach innen, auf das Wanyama des Pavians. Sie vereinten ihre Geisteskraft, um die Paralyse mit Lebensenergie auszuwaschen.
Thartar würde jeden Augenblick loslassen.
Er rührte sich nicht. Kein Wunder. Kios Hintern hatte das meiste Gift abbekommen.
»Oh, komm schon!«, spielte sich Mr. Hyänenkopf auf. »Willst du nichts zu deiner Zubereitung beitragen?«
Dann zuckte er endlich.
»Der Grillabend wurde gestern gestrichen.« Kio ließ den Affenschwanz wie eine Peitsche vorschnellen. »Hier ist das Memo!«
Eine Schlinge aus Muskeln und Fell zog sich um Thartars Hals zu.
»Du… Urgh…«
Kio packte Thartars Arm mit beiden Händen und biss hinein. Thartar brüllte und lockerte reflexartig seinen Griff. Der Affenjunge schwang sich um den Claw herum. Er war zu langsam. Noch bevor Kio festen Boden unter den Füßen bekam, wirbelte Thartar hinterher und schleuderte ihn mit einem Fausthieb zurück gegen den Kleinlaster.
»Ich reiß dir die mickrigen Zähne raus!«, knurrte Thartar.
Seine Kiefergelenke knackten und krachten.
»Einer …«
Sein Kopf verformte zur Schnauze einer Hyäne. Aus dem Berg Muskeln wurde ein ganzes Gebirge.
»… nach …«
Die Scharniere seines künstlichen Unterkiefers passten sich klickend seiner neuen Gesichtsform an.
»… dem …«
Eine Welle an verdorbener Lebenskraft zugleich schlug Kio entgegen, als Thartar ihn mit animalisch glühenden Augen fixierte.
,,… anderen!«
Das Mischwesen stampfte auf Kio zu, öffnete ein Maul voller echter, fauler und stählerner Zähne. Mehrere PS Beißkraft schnappten nach ihm.
»IIEEKK!«
Ein dröhnendes Trompeten erschütterte Kios Ohren. Sein Körper erzitterte vor Vibrationen. Die gehörten wohl zu der Druckwelle, die Thartar durch die Wand eines Blechschuppens katapultierte. Der massige Tume bombte die Hütte förmlich weg.
Makeye schnappte Kio im Nacken und stellte ihn auf die Beine. Dem hünenhaften Schwarzen ragten Stoßzähne aus dem Mundwinkel. Seine Ohren waren größer als gewöhnlich.
»Danke, Alter«, sagte Kio. »Dem Dicken hast du’s gezeigt.«
Es krachte. Der Wellblechschuppen flog auseinander als Thartar auf die Beine sprang.
»Es wäre ein Wunder, wenn der Dicke etwas gemerkt hätte«, brummte Makeye. »Verdammt, Junge! Kannst du nicht ein Mal auf mich hören?«
»Das ist nicht fair! Ich hätte die Zwillinge gerettet, aber die Kleine hat mich abgeschossen.«
Natürlich klang das lächerlich. Wanyamas wurden nach Tierarten sortiert, nicht nach Effekten. Was Kio nicht weniger neidisch auf die meisten anderen Tume machte.
»Insekten-Typus«, meinte Makeye. »Na toll …«
»Insekten-Typus? Die gibt’s auch?«
Kio schüttelte sich. Er hasste Mücken.
Makeyes Blick wanderte zwischen Thartar und dem anrückenden Hubschrauber hin und her. »Verfolge sie. Ich kümmere mich solange um Thartar und seine Dritten.«
Er spannte demonstrativ die Muskeln an. Wie ein Gorilla schlug der Claw-Muskelprotz mit den Fäusten auf den Boden und brüllte: »Ich reiß dir die Ohren ab, Dumbo!«
Makeye packte den ramponierten Kleinlaster und hievte ihn hoch. Thartar sprang den Tume an, nur um von der Ladefläche erfasst zu werden wie ein Tennisball. Die Wucht schleuderte ihn durch zwei weitere Baracken.
»Netter Strike«, kommentierte Kio begeistert. »Vergiss den Homerun nicht.«
»Vergiss die Zwillinge nicht!«, trompete Makeye. »Beeil dich!«
»Yes, Sir!«
Kio stürmte auf allen vieren los. Schneller zu sein als auf zwei Beinen war einer der wenigen Vorteile seiner Mutation.
Sechs vermummte Söldner zogen einen Schutzkreis um den Helikopter, der in ihrer Mitte landete. Ein Scharfschütze öffnete die Seitentür des Hubschraubers und legte sofort auf Kio an. Kharnan gab ihm ein Handsignal.
Kio sprang mal nach rechts, dann rollte er nach links, ohne Tempo einzubüßen. Ein Scharfschützengewehr mochte tödliche Präzision besitzen, doch Präzision benötigte Zeit.
Kharnan nahm seinen Handlangern das Netz mit den zappelnden Zwillingen ab und bugsierte es in den Hubschrauber wie eine Einkaufstasche. »Los! Los!«, drängte er über das Knattern des Hubschraubers hinweg. »Bring uns in die Luft! Und ihr – haltet diesen Flohteppich auf!«
Dann stieg er selbst ein. Staub schlug Kio ins Gesicht, als die Maschine abhob. Es hatte zum Vorteil, dass der Scharfschütze ihn nicht mehr anvisieren konnte.
Der Schutzkreis der Claws war allerdings eine andere Geschichte. Ihre Koordination legte ein wahres Sperrfeuer. Immer wieder duckte sich der Affenjunge hinter Schrott, Baracken und Karren, pirschte im Zickzack an seine Gegner heran.
Du bist nicht unverwundbar – also lass die Umgebung dein Panzer und dein Verbündeter sein, rief er sich die mürrischen Weisheiten seines Mentors ins Gedächtnis.
Den ersten Claw fiel er von hinten an, trat ihn K.O. und verschwand hinter der nächsten Deckung. Die Salve endete. Die Söldner wurden vorsichtiger. Kio täuschte mehrere Angriffe an. Er erledigte einen zweiten Claw, dann einen dritten, während sich der Hubschrauber immer weiter entfernte. Noch war die Entfernung kurz genug für seinen Affensprung…
Ein Schuss landete direkt neben seinen Füßen. Instinktiv rollte er sich weg, aber nun hatten die Claws genug Zeit, sich Rücken an Rücken zu positionieren.
Mit willkürlichen Haken versuchte er, sich seinen Gegnern zu nähern. Ihre Verteidigung war eisern. Bis einem Claw die Munition ausging. Hastig lud der Vermummte nach. Ein Radschlag später fiel der Söldner um wie eine Kegel. Dafür blickte der Affenjunge jetzt in zwei scharfe Mündungen.
Kio lächelte verlegen. »Einigen wir uns auf Unentschieden?« Die Eiseskälte hinter den Augenschlitzen sprach für sich. »Dann eben nicht.«
Da stand Makeye hinter den Claws und schlug ihre Köpfe gegeneinander. Sie sackten zu Boden.
»Nutze doch aus, der Schnelle der Gruppe zu sein«, brummte der Elefanten-Tume. »Wir verlieren nur Zeit!«
»Wo ist Thartar?«, fragte Kio vorsichtig.
»Ich hab ein paar Hütten um ihn gewickelt. Ich habe Zeit mit diesem Abschaum verschwendet.«
Kio starrte dem Helikopter hinterher und verzog das Gesicht. »Wo wir gerade davon reden … Den Heli da vorne hole ich nicht mehr ein.«
»Willst du etwa aufgeben, und die Kinder im Stich lassen…?«
In seinen Augen schimmerte förmlich die Lektion: Finde eine Lösung!
Kio lächelte verschmitzt und zeigte auf den Senior-Tume. »Wie gut ist dein Wurfarm?«
Makeye nickte zufrieden. Er winkelte den Arm an wie ein Kugelstoßer. Kio kletterte hoch, sodass er mit beiden Füßen auf Makeyes Handfläche stand. Der Elefanten-Tume spannte die Muskeln an, ließ Lebenskraft in jede Faser strömen.
»Bereit?«
»Natürlich nicht!«, quiekte Kio. »Jetzt mach schon, bevor ich es mir… Iieek!«
Die Luft um Kio herum knallte. Wie eine Kanonenkugel flog er davon.
 
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1 Stadt im Nordosten Tansanias
2 suah. etwa »schlechte Energie«
3 Siehe »Wanyama Tales: Treibjagd«

(Leseprobe aus »Wanyama - Die Wächter der Meere / Kapitel 1: Gift und Stiche«)